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Gleichstellungspolitisch bleibt noch viel Luft nach oben

© RomanBabakin/iStock

Der Deutsche LandFrauenverband zieht Bilanz und hält der Regierungskoalition den gleichstellungspolitischen Spiegel vor

Berlin, 13.04.2021 — Die Bundestagswahl 2021 wirft bereits lange Schatten voraus. „Ungeachtet dessen, dass innerhalb der kommenden fünf Monate noch Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden können, ist für den Deutschen LandFrauenverband jetzt ein guter Zeitpunkt, der aktuellen Bundesregierung den Spiegel vorzuhalten“, sagt dlv-Präsidentin Petra Bentkämper. „Es wird Zeit, Bilanz zu ziehen. Wer dem Wahlvolk etwas verspricht, muss sich daran messen lassen, ob die Zielmarge erfüllt wurde. Rund 450.000 LandFrauen sind eine kritische Wählerschaft und jede von ihnen entscheidet auch 2021 wieder, welcher Partei sie aus frauenpolitischer Sicht ihr Vertrauen ausspricht.“

Die Bilanz der Regierungsarbeit fällt aus Sicht des Deutschen LandFauenverbandes gemischt aus. „Einige Kernthemen wurden angepackt, aber frauenpolitisch sehen wir auch Defizite“, so Bentkämper. „Dass die Corona-Pandemie seit einem Jahr zusätzliche Herausforderungen für das Regierungshandeln gebracht hat, übersehen wir dabei nicht. Dem zollen wir unsere Anerkennung, bilanzieren aber unsere dlv-Kernforderungen mit kritischem Blick.“

Gerechte Chancen

Dem dlv ist es ein zentrales Anliegen, strukturelle Benachteiligungen von Frauen abzubauen und bundesweit die Gleichstellung der Geschlechter dauerhaft in allen Lebensbereichen voranzutreiben. Die von der Koalition vereinbarte Bundesstiftung Gleichstellung kommt erst jetzt in den politischen Beratungsprozess. Als dlv erwarten wir höchste Priorität, sie noch in dieser Legislatur zu errichten. Ziel muss es sein, dass die Stiftung zügig mit ihrer Arbeit beginnt. Aus Sicht des dlv, der größten Frauenlobby im ländlichen Raum, muss ein Schwerpunkt der Bundesstiftung die Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in ländlichen Regionen sein, um umfassende Gleichstellungsziele zu erreichen.

Der dlv begrüßt, dass die Bundesregierung ihrem, im Koalitionsvertrag festgehaltenen Auftrag nachgeht, den Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst mit dem Zweiten FührungspositionenGesetz (FüPoG II) weiter zu erhöhen. Dies ist ein Meilenstein der Gleichstellungspolitik, wenn es darum geht, eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen zu erreichen. Der dlv fordert die Bundesregierung auf, die Novellierung schnell voranzutreiben und das FüPoG II noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen.

Mit dem Kompromiss bei der Mütterrente gibt sich der dlv nur halb zufrieden. So wurde das Koalitionsversprechen – drei volle Entgeltpunkte für alle Mütter – nicht eingehalten. Mit der letzten Anpassung von 2019 gibt es noch immer einen halben Entgeltpunkt Unterschied für Mütter mit Erziehungszeiten, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Der dlv hält an seiner Kernforderung fest und fordert weiterhin drei Entgeltpunkte für alle Mütter und Väter sowie eine Finanzierung der Mütterrente aus Steuergeldern, um der Altersarmut von Frauen entgegenzuwirken.

Frauen sind in Deutschen Parlamenten noch immer stark unterrepräsentiert. Die Bundesregierung hat die Chance verpasst, Parität im Wahlrecht zu verankern. Der dlv fordert — unabhängig von der derzeitigen Rechtsprechung — die Bundesregierung auf, sich für eine geschlechterparitätische Besetzung im Bundestag stark zu machen und den Weg dorthin für die nächste Legislatur schon heute zu ebnen.

Zukunft Ehrenamt

Das Koalitionsversprechen, ehrenamtliches Engagement zu stärken und zu fördern, ist mit der Gründung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt umgesetzt worden. Der dlv hat den Gründungprozess aktiv mitbegleitet und bewertet die Stiftung als eine große Chance, Ehrenamtliche in ihrer Arbeit für die Gesellschaft zu unterstützen sowie digitale und soziale Innovationen im Ehrenamt zu fördern. Für den dlv ist aber auch klar, dass Förderprogramme nicht am fehlenden Status der Gemeinnützigkeit scheitern dürfen, sondern zivilgesellschaftliches Wirken von Verbänden berücksichtigt werden muss.

Landwirtschaft und Umwelt

Die Datenlage zur Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben ist bislang sehr schwach. Mit der von der Bundesregierung geförderten Studie zur sozio-ökonomischen Lage von Frauen in der Landwirtschaft bestehen gute Chancen, die Lebenssituation auf den Höfen besser einzuschätzen. Somit wurde ein wichtiger Grundstein für zukünftige Entscheidungen gelegt. Mit sachkundigen Schlussfolgerungen aus dieser Studie können nachfolgende Regierungen wirksame Verbesserungen für Frauen in der Landwirtschaft erreichen.

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigen deutlich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher qualitativ hohe Erwartungen und Anforderungen an die Nutztierhaltung in der Landwirtschaft haben. Andererseits benötigen Bäuerinnen und Bauern verlässliche Perspektiven für ihre Höfe. Es ist der Regierung bis jetzt nicht gelungen, hier einen angemessenen politischen Rahmen zu schaffen, der für die Nutztierhaltung die notwendige Planungssicherheit gewährleistet und damit Veränderungsbereitschaft und -prozesse zuverlässig unterstützt.

Obgleich dies nicht explizit im Koalitionsvertrag fixiert wurde, hat sich Bundesministerin Julia Klöckner dafür eingesetzt, dass dem Thema Gleichstellung Priorität zukommt und in einem der zehn Ziele des Strategieplans der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in der nächsten Förderperiode verankert wird. Der dlv erwartet, dass im Rahmen der noch nicht abgeschlossenen Trilogverhandlungen dieses Ziel Bestand hat und nicht mehr herausverhandelt wird.

Mit dem Einsetzen der Zukunftskommission Landwirtschaft im Sommer 2020 geht die Bundesregierung den Weg des Miteinanders verschiedenster Interessengruppen weiter. Der dlv begrüßt dies und erwartet, dass der in der Kommission erreichte Konsens und die ausgehandelten Empfehlungen in die zukünftige Agrarpolitik einfließen.

Ländlicher Raum

Mit Blick auf Maßnahmen zum Erreichen von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land zieht der Deutsche LandFrauenverband eine gemischte Bilanz. Die Bundesregierung hat ihr Versprechen, eine Kommission einzurichten und konkrete Vorschläge zu entwickeln, eingehalten. Von den insgesamt zwölf beschlossenen Maßnahmen wurden bereits erste erfolgreich umgesetzt. Dazu gehören die Errichtung eines gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen sowie die Einführung eines Gleichwertigkeitschecks bei Gesetzesvorhaben des Bundes. Sehr wohl wissend, dass es mehr als einer Legislaturperiode bedarf, konstatiert der dlv: Deutschland ist nach knapp vier Jahren von gleichwertigen Lebensverhältnissen noch immer weit entfernt.

Nur teilweise zufrieden ist der dlv mit dem Tempo beim Mobilfunkausbau und dem geplanten Förderrahmen für den Glasfaserausbau auf dem Land. Mit den Lösungen für schwer erschließbare Einzellagen, laut aktuellem Förderrichtlinienentwurf des Graue-Flecken-Programms, gibt sich der dlv nicht zufrieden. Die nunmehr vorliegende Definition schließt zu viele Einzellagen aus. Erfreulich ist, dass landwirtschaftliche Betriebe, unabhängig von der Zahl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, förderfähig sein sollen. Der dlv erwartet, dass die zur Beschleunigung des Mobilfunkausbaus gegründete Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft umgehend mit der Arbeit startet, um in den nächsten Monaten Ergebnisse präsentieren zu können.

Nach aktuellem Stand wird es in dieser Legislaturperiode kein Gesetz zur Förderung der wehrhaften Demokratie geben, weil die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag dieses Vorhaben nicht unterstützen will. Der dlv zeigt sich darüber tief enttäuscht, zumal zwischen den zuständigen Bundesministerien und dem Kanzleramt Einigkeit über die Eckpunkte erzielt worden war. Damit wird die wichtige Chance verpasst, in der Demokratieförderung tätige Organisationen zielgerichtet und vor allem dauerhaft mit Bundesmitteln unterstützen zu können.

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